Kleos Kulturbeutel

Der Kulturbeutel hat schon einen schweren Stand dieser Tage. Man bekennt sich nicht mehr so gern zu ihm. Wenn man „Kulturbeutel“ in eine Suchmaschine eingibt, bekommt man zwar die richtigen Ergebnisse, wenn es ums Shopping geht, aber das Wort wird nur selten in Online-Shops (man könnte auch Internet-Läden sagen) angezeigt. Meist heißt es „Kulturtasche“ oder ganz unverholen „Waschtasche“ oder etwas euphemistisch fremdsprachiger „Necessaire“, wobei die Aussprache des letzteren manchen Leuten auch Probleme bereitet. Ganz schlimme Steigerungsform für einen Kulturbeutel mit erweitertem Funktionsumfang: Beautycase.

Pinkes Wolltäschchen mit Schlaufenmuster, darin eine Tube, eine Zahncreme, Parfum sowie ein Taschenbuchausgabe mit Anton Tschechovs "der Kirschgarten".
Kein Zweifel, bei diesem Täschchen muss es sich um ein Kulturgefäß handeln.

Kultur und Beutel scheinen nicht so ganz zusammen zu passen. Denn „Kultur“ klingt nach etwas Vornehmem, „Beutel“ aber eher nicht. Wenn man Kultur schon in einem Beutel mitführen muss, um welche zu haben, dann ist es schon schwer um einen bestellt, möchte man meinen. Aber immerhin. Die Körperpflege scheint ein entscheidendes Indiz für Kultiviertheit zu sein – nicht etwa die allgemeinen Umgangsformen, Bildung oder Sprachgebrauch. Nein, es ist das Stück Seife und die Zahnpasta, die den Unterschied machen. Gut – kann man verstehen, wenn man im Sommer bei 35 Grad mit anderen Leuten in einem vollen Bus fährt.

Mir gefällt „Kulturbeutel“ so, genau weil dieser Begriff auf ulkige Weise nahelegt, man könne Kultur mit sich in einem Beutel mitführen oder es gäbe ein spezielles Behältnis, in dem Kultur idealerweise transportiert werden könne und sollte – aufgrund ihrer Beschaffenheit und Konsistenz zum Beispiel. Als könne man Kultur mit Händen greifen und irgendwo reinpacken wie Haarspray, Shampoo oder Rasierschaum.

Ein früherer Kommilitone erzählte mir einmal, er habe einmal ein Praktikum in einer Molkerei gemacht, wo er im plattesten Sächsisch aufgefordert wurde, „nen Eimer Guldur“ zu holen. Er schaute sich etwas ratlos um, sah auf den ersten Blick keine, und schlussfolgerte dann stichfest, es müsse sich wohl um Milchkultur handeln.

Der Begriff der Kultur ist also dehnbar und verhandelbar – über 200 Definitionen von Kultur solle es geben, hörte ich einmal in einer Vorlesung der Kulturwissenschaften. Daher ist es gar nicht so klar, was Kultur eigentlich ist – und daher ist Kultur hervorragend als Euphemismus geeignet, zum Beispiel für Dinge, über die man halt nicht so gerne redet, weil sie sich eben doch – na ja – halt auf persönliche Dinge beziehen, wie eben Shampoo und so. Auf die Zeit im Bad, die man alleine verbringt, wohin der Kaiser bekanntlich ja auch zu Fuß geht. Kultur halt.

Ob Kleopatra auch einen Kulturbeutel hatte? Ich meine, sie war schließlich führendes Mitglied einer Hochkultur und soll den BH erfunden haben, sagte man mir stolz bei einer Führung im ägyptischen Museum in Kairo. Ich befürchte aber, sie hatte ein Beautycase – wie auch immer man das in Hieroglyphen schreibt. Pyramiden davon.

2 Kommentare

    1. Vielen Dank für den Kommentar. Es geht mir in diesem Beitrag nicht unbedingt darum, woher sich das Wort ursprünglich ableitet, sondern was es heute bedeutet.
      Zu „Kultur“ ist im Kluge-Wörterbuch nachzulesen: „…Entlehnt aus 1. cultura, zu 1. colere ‚pflegen, bebauen‘. Gemeint ist zunächst der Landbau und die Pflege von Ackerbau und Viehzucht; im 17. Jh. Übertragung auf ml. cultura animi ‚Erziehung zum geselligen Leben, zur Kenntnis der freien Künste und zum ehrbahren Leben“ (PUFENDORF); dann Ausweitung und Übernahme in die Volkssprache…‘ Es ist der später erweiterte Kulturbegriff, auf den ich mich hier etwas salopp beziehe.
      Die Herkunft von Beutel mag ebenso richtig sein, aber auch hier geht es mir um die heutige, alltägliche Verwendungsweise.
      Quelle: Kluge, Friedrich. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache / Kluge, Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Auflage. Berlin; New York. de Gruyter, 2002 (ISBN 3-11-01743-1)

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