Das gute alte Fernsehgerät – dies schöne Möbel, mit leicht gewölbtem Bildschirm, einer Röhre, die manchmal so schön knisterte, wenn man liebevoll mit der bloßen Hand oder einem Staub-Tuch darüber strich (was so selten vorkam, dass ich es mir gemerkt habe).
Flachbildschirme haben bei Weitem nicht die formidable Materialität eines Fernsehapparats, sagen wir mal aus den 80er oder noch 90er Jahren. Wie schwer diese Dinger waren! Steigerungsform: Farbfernseher. Für Ostdeutsche: der Westfernseher. Damit ist nicht etwa ein Fernsehgerät gemeint, auf dem Westprogramme liefen, sondern Fernsehgeräte, die man von der Westverwandschaft bekam. Auch sehr beliebt: Kofferfernseher, etwa für den Urlaub.
Man konnte auch „Fernsehen“ sagen und das Gerät meinen. Was mir an „Fernsehgerät“ oder „Fernsehapparat“ gefällt, ist, wie der Name schon sagt, die zugrunde liegende Annahme, dass es sich um ein „Gerät“ bzw. um eine „Apparatur“ handelte, eine Art Maschine im Wohnzimmer, die einer gesonderten Aufmerksamkeit bedurfte, gewissermaßen eine Unterhaltungs- und Informationsapparatur, die keine beiläufige Behandlung duldete.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als eine Moderatorin durch das komplette Abendprogramm führte, an dessen Ende sich Gekriesel oder das Testbild (!) anschloss, mit einer Ton-Frequenz, die irgendwann jeden Eingeschlummerten wieder zu sich kommen ließ (heute gibt es Nostalgie-T-Shirts davon, vielleicht sollte ich aber auch Niki-Hemd sagen). Tja, Pech gehabt! Das waren die Zeiten, bevor Filme und Dokumentationen jederzeit über Internet-Hochgeschwindigkeitsleitungen in Mediatheken von Sendern verfügbar waren, als man noch auf Wiederholungen hoffen musste.
Etwas schnelllebiger wurde das Ganze schon, als Fernbedienungen eingeführt wurden und man durch das Programm „zappen“ konnte, ohne immer aufstehen zu müssen oder den großen Zeh treffsicher ausstrecken und zielgenau betätigen zu müssen. Und dann: die Einführung des Privatfernsehens Mitte der 1980er Jahre! Einige verzweifelte Ostdeutsche griffen zu diesem Zeitpunkt zur Selbsthilfe und hingen nach Sonnenuntergang selbst gebastelte Westantennen aus dem Fenster, erzählte mir erst kürzlich ein ehemaliger Nachbar. In unserem eigenen Hause (Neubaublock in Leipzig) hingegen waren wir schon lange dank der hochkarätigen Antennenbau-Aktivitäten meines Vaters (Nicht-SED-Mitglied) dermaßen hervorragend mit Westkanälen ausgestattet, dass sich sogar eingefleischte Genossen schon bei uns ganz selbstverständlich beschwerten, wenn mal die ARD während der Übertragung der Fußball-WM gestört war. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum er keinen Ärger bekam: Alle wollten Westfernsehen schauen.
Jetzt versucht mein Vater mich seit einigen Jahren zu überreden, einen Flachbildschirm mit allen möglichen Finessen zu kaufen, die nur er zu verstehen scheint. Aber ich sage: nein! Ich hänge an meiner Röhre. Ich meine, ich habe ja nichts gegen Fortschritt – im Gegenteil. Vielleicht kaufe ich mir demnächst eine DVD mit Testbild in Endlosschleife. Gibt es bestimmt!