Neuerdings schaue ich oft in die Sterne. Aber nicht durch ein Teleskop am kalten Nachthimmel, sondern durch ein kleines Kaleidoskop. Meine Mutter schenkte es mir letztens (sie dachte, es wäre sowieso meins gewesen, aber ich konnte mich nicht erinnern). Erst vor einigen Wochen hatte ich an meinem Schreibtisch gesessen und mich gefragt, wo denn mein früheres, etwas größeres Kaleidoskop wohl abgeblieben wäre, dann fiel es mir ein: Ich hatte es weggegeben. Und dann dieses kleine Geschenk, völlig überraschend!
Es besteht aus zwei Röhrchen, die miteinander verbunden sind, das eine führt durch das andere. Das eine Röhrchen (das die Spiegel enthält) ist mit Glitzerpapier ausgekleidet. Das andere enthält kleine glänzende Sterne, Herzchen und helle Körnchen. Wenn man es dreht, zeigen sich immer neue Farben und glitzernde Muster und es hört praktisch nicht auf! Stunden kann man damit verbringen. Und staunen, sich ablenken, den Rechner mal runterfahren, sich freuen über die Kleinigkeiten des Lebens. So richtig weiß ich auch nicht, warum es mir so gefällt.
Das Wort Kaleidoskop kommt aus dem Griechischen, wie im etymologischen Kluge-Wörterbuch (Walter de Gruyter, 2002) nachzulesen ist:
Neubildung in England zu gr. kalós „schön“, gr. eidos „Bild, Gestalt“ (zu gr. idein „sehen“) und gr. skopein „schauen“ in Analogie zu Mikroskop. Somit also ein „Gerät“ zum Betrachten von schönen Bildern“ (entstanden 1815).
In meinem Duden von 1905 steht das etwas knapper:
(gr.) „Schönbildseher“, optisches Spielwerk || kaleidoskopisch; in buntem Wechsel, bunt
Duden. Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bibliographisches Institut. Leipzig und Wien, 1905
Ich habe also einen Schönbildseher geschenkt bekommen oder noch besser: Ich hatte ihn schon und wusste es nicht. Und wahrlich, wie gut kann ich ihn gebrauchen! Er ist platzsparend, spontan einsetzbar, kostengünstig (verbraucht keinen Strom und braucht keine Ersatzpatronen oder so etwas) und zeigt mir immer neue, oft glitzernde, sich ständig wandelnde Motive, wobei man die Geschwindigkeit ja selbst beeinflussen kann. Durch die Symmetrie der Darstellung strahlen die Muster zudem eine gewisse Vollkommenheit aus, zumindest wirkt es so auf mich.
Erfunden hat das Kaleidoskop der schottische Physiker (und Theologe) Sir David Brewester 1815 und ließ es 1817 patentieren. Vorläufer-„Technologien“ mit spiegelnden Oberflächen reichen wohl viel weiter zurück. Auf der Website eines Herstellers (jedoch nicht meines Kaleidoskops) steht folgendes:
Die Encyclopaedia Britannica verzeichnete in der Ergänzung von 1824 unter dem Eintrag ‘Kaleidoskop’: „Es wurde schnell beliebt und die Sensation, die es bei Leuten jeden Standes hervorrief, war überraschend. Kaleidoskope wurden in enormen Mengen hergestellt und ebenso rasch verkauft, wie sie produziert werden konnten.“
https://www.caleidoscopio-aleph.com/de/content/6-ursprung-und-geschichte
Das kann ich mir gut vorstellen, denn auch bei uns war das kleine Gerät eine Sensation am Kaffeetisch. Es erklangen Begeisterungsrufe im Wechsel mit Seufzern der Faszination – so überraschend lebensfroh wirkten die Muster und ihre Wandlungen auf das unvorbereitete Pandemie-Herbst-Gemüt. Ich wollte es kaum aus der Hand legen. Ich habe es gleich per Video aufgenommen, aber die Aufnahmen kommen nicht an den Effekt des Direktschauens heran.
Der Begriff Kaleidoskop wird heute wahrscheinlich jedoch meistens im übertragenen Sinne gebraucht, als bunte Ansammlung von etwas (siehe 2. Bedeutung im aktuellen Duden, online):
1. optisches, in seiner Form an ein Fernrohr erinnerndes Spielzeug, bei dem durch mehrfache Spiegelung von bunten Glassteinchen im Innern, die sich durch Drehen jeweils anders zusammenfügen, wechselnde geometrische Bilder und Muster erscheinen
2. lebendig-bunte [Bilder]folge; buntes Allerlei, bunter Wechsel bei etwas
BEISPIEL:
Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Kaleidoskop
– ein [buntes] Kaleidoskop von Stimmen, Farben, Eindrücken
Diese Verwendung ist meines Erachtens jedoch etwas schwach. Es schwingt etwas Beliebiges darin mit, wie etwas willkürlich Zusammengewürfeltes. Das finde ich schade. Zwar sind auch die Partikel im Kaleidoskop etwas im Moment „Zusammengewürfeltes“; dennoch geht von der echten Kaleidskoperfahrung eine größere Faszination – ja Genialität – aus, will mir scheinen. Es ist wirklich eine tolle Erfindung. Weggeben werde ich dieses bestimmt nicht.
Weitere Hinweise:
Auf Google Books ist das Original-Werk von Sir David Brewster über seine Forschung zum Kaleidoskop zu finden: The Kaleidoscope, Its History, Theory and Construction with Its Application to the Fine and Useful Arts. London. John Murry, 1858. (Diese Info habe ich von „experimentis – Physik für alle“ auf https://experimentis-shop.de/kaleidoskop-mit-objektkammer-detail-345.html).